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FM-Mailanschrift – das Goldene Kalb

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Freie Mitarbeiterinnen können eine Mailanschrift unter der Domain des Senders bekommen, also endend auf „wdr.de“. „Können bekommen“ ist missverständlich ausgedrückt. Richtiger wäre: Die Freien werden in dem Moment damit zwangsbeglückt, in dem sie einen Zugang zum WDR-Netzwerk erhalten. Die Mailanschrift folgt der Konvention vorname.nachname@fm.wdr.de und wird vom ersten Moment an verwendet.

So manche Abteilungsleiterin, so manches Redaktionssekretariat verteilt seine Infos am liebsten über wdr.de-Adressen, ob mit oder ohne „fm“. Aus Sicht der Senderbeschäftigten ist das äußerst praktisch. Sie brauchen die Mailanschrift eines Freien nur in ihrem Outlook herauszusuchen und anzuklicken.
Beschäftigte, die Tag für Tag problemlos den Netzwerkzugang benutzen, sehen das Ganze naturgemäß durch die eigene Brille.

Aber „versandt“ heißt in diesem Fall längst nicht „angekommen“. Ob die Adressatin der Mail überhaupt die Adresse regelmäßig abruft, interessiert nicht. Wer normalerweise an seinem Arbeitsplatz mit einem Mailprogramm arbeitet, kommt damit automatisch auch an die Mails ran. Von außerhalb geht es nur per Webmail (https://mail.wdr.de, im Browser die Ausnahmeregel für Sicherheitszertifikate, die nicht auf die betreffende Domain lauten, bestätigen) oder mit “Remote“.

Dies ist ein Problem z.B. für Menschen, bei denen der WDR ein Auftraggeber unter mehreren ist. Jedesmal neu einloggen und schauen, ob der WDR etwas Neues bereit hält. Un dann noch beim DLF. Und der DW. Und dem DLF.

FM färbt ab…

Freie Mitarbeiterinnen, die ständig durch den Sender cruisen, finden Kritik an der Nutzung der WDR-Mailanschrift hingegen kleinlich. Manche sind gar stolz wie ein Pfau, freuen sich über ihre neue FM-Anschrift beim WDR und möchten sie extensiv für professionelle Mailwechsel nutzen.

… im Guten …

Dabei gehen sie davon aus, dass beim Benutzen der wdr.de-Anschrift der gute Ruf der Institution auf sie abfärbt. Wenn sie irgendwo eine Rechercheanfrage stellen, dann verleihe der Absender dem Begehren eine höhere Glaubwürdigkeit. „Dann muss ich nicht mehr lange erklären, dass ich als Freie WDR-Mitarbeiterin arbeite“, argumentieren sie.

… wie im Schlechten

Vielleicht steht das “fm” in der Adresse aber gar nicht für „Freie Mitarbeiterin“, sondern für „fuck me“? Es gibt gewichtige Argumente dafür, die FM-Mailanschrift nur in zwingenden Fällen zu benutzen – und auch alle WDR-Kontakte zu bitten, die externe persönliche Mailanschrift der Mitarbeiterin für Schriftwechsel zu benutzen:

  • Die allgemeine Netzwerkkennung einer Freien läuft nach einem Jahr ab, wenn sie nicht erneuert wird und wird nach einer Gnadenfrist samt gespeicherter Mails, gelöscht und ist nicht mehr erreichbar. Nach einer längeren Pause der Mitarbeit kommen auf Mails an die Freie also Fehlermeldungen. Alle, die sich nur diese Mailanschrift gemerkt haben, können die Freie Mitarbeiterin nicht mehr ohne weiteres anschreiben.
  • Die Mailanschrift ist der Verfügungsgewalt und damit der Willkür des Senders unterworfen. Beim Deutschlandradio, (oder nein, er heißt inzwischen wieder Deutschlandfunk, und alle Mitarbeiterinnen haben ihre Mailanschriften neu) bekamen das alle Freien Mitarbeiterinnen konkret zu spüren. Par ordre du mufti wurde ihre Mailanschrift 2009 von einem Tag auf den anderen geändert. Aus vorname.nachname@dradio.de wurde bei den Freien Mitarbeiterinnen vorname.nachname.fm@dradio.de. Weiterleitungen wurden nicht eingerichtet. Wer nur die alte Mailanschrift notiert hatte, konnte die jeweilige Freie Mitarbeiterin nicht mehr erreichen. Inzwischen heißt die Mailadresse wieder anders – für alle.
  • Wer ständig seine wdr.de-Adresse im Kontakt mit anderen Kundinnen oder Interviewpartnerinnen benutzt, behindert seine eigene Profilierung als Freiberuflerin. Alles, was sie unter dem Absender schreibt, wird dem WDR als Verdienst zugerechnet. Ein weiterer Schritt von der Vertragspartnerin zur Mitarbeiterin zweiter Klasse.
  • Dieser Sender gewinnt an Qualität, indem er die Arbeit externer Mitarbeiterinnen nutzt. Mit diesem Zusammenhang sollte man offensiv umgehen und allen da draußen wieder und wieder erklären: Ich bin Freiberuflerin und arbeite in diesem Fall für ein Produkt, das im WDR gesendet wird. So viel Zeit (und Pädagogik) sollte schon sein.
  • Die Nutzung der wdr.de-Adresse behindert bei Journalistinnen die dringend notwendige Zweitverwertung von Informationen und Recherche-Ergebnissen. Wird da etwas unter Verwendung des WDR-Absenders recherchiert, erscheint später aber auch in einer anderen Publikation? Da fühlt sich so manche Interviewpartnerin hinters Licht geführt.
  • Alle Regeln, mit denen der WDR die Nutzung seines Mailsystems belegt, gelten auch für Freie Mitarbeiterinnen. Warum sollten sie sich aber irgendwie einschränken lassen?
  • Die wdr.de-Adresse bringt ein unnötiges Haftungs- und Kontrollrisiko mit sich. Beispiel: Einer Adressatin passt nicht, was da eine Freie Mitarbeiterin an sie geschrieben hat und sie wendet sich an die betreffende Abteilung beim WDR. Und schon klopft die ihr auf die Finger: „Du hast da was mit WDR-Absender geschrieben, was nicht gefällt…“
  • Spätestens seit der Kündigung eines Redakteurs in der WDR-Programmgruppe Inland (der nach einem Arbeitsgerichtsprozess übrigens später wieder eingestellt wurde) gibt es einen weiteren Grund, die WDR-Mailanschrift nur für das Nötigste zu nutzen. Als er in Verdacht geriet, gegen die journalistische Unabhängigkeit verstoßen zu haben, durchforstete die WDR-Revisionsabteilung sein Mailpostfach. Den Inhalt seines Mailverkehrs nutzte der WDR vor den Arbeitsgerichten intensiv zur Begründung seiner fristlosen Kündigung.10 Da lassen wir unsere Mails doch lieber über andere Server laufen.
  • wdrfreie – die unabhängige Mailingliste von Freien Mitarbeiterinnen auf freienseiten.de –
    verbietet die Nutzung der FM-Anschriften für Listenmails aus zwei weiteren Gründen:
  • Wenn der WDR-Server auf einen Schlag dutzende oder hunderte Mails vom selben Absender (nämlich der Liste) erhält, landet dieser Kommunikationskanal leicht im Spamfilter der WDR-IT, und der Sender hätte einen Grund, die Kommunikation zu behindern. Das vertraute und vertrauliche Mailen der Freien Mitarbeiterinnen untereinander wäre davon abhängig, dass ihr Verteiler auf einer “Whitelist” als unbedenklich gekennzeichnet würde.
  • Es ist nicht erwünscht, dass Mails der wdrfreie-Liste an WDR-Angestellte weitergeleitet werden. Im WDR-Mailsystem fiele es aber leichter (es kostet ein paar, manchmal entscheidende, Klicks weniger), eine Listenmail beispielsweise an einen ganzen Redaktionsverteiler weiter zu verbreiten.

Über die rein technische Möglichkeit, dass Listenmails schon auf dem Server abgefangen und von der Geschäftsleitung mitgelesen werden könnten, schweigen wir hier. Denn dies verböte ja der Datenschutz.

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