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Selbstständig oder nicht?

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Zusammenfassung:

Der Abgrenzungskatalog der Sozialversicherungen ist dafür relevant, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder nichtselbstständig angesehen wird. Aus den Kriterien wurde im WDR eine Liste entwickelt mit Bezeichnungen und Vertragstypen, die der einen oder der anderen Seite zugeordnet werden. In Maßen kann man beeinflussen, ob der selbstständige oder der nichtselbständige Anteil der Tätigkeit beim WDR überwiegt. Der überwiegende Anteil färbt auf den unterlegenen ab: Entweder wird bei einem Auftraggeber alles als das eine oder alles als das andere gewertet. So bestimmt es  nämlich auch der Abgrenzungskatalog.

Und nun die lange, polemische Fassung

Da draußen in der Welt mag es Menschen geben, die klare Antworten darauf geben können, was eine selbstständige Tätigkeit ist und was abhängige Beschäftigung. Und es gibt ja auch klare Fälle: Eine freiberufliche Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei ist selbstständig tätig. Arbeitet sie hingegen als WDR-Justiziarin, ist sie abhängig beschäftigt. Solch klare Unterscheidungen verlieren bei der Sozialversicherung der Freien Mitarbeiterinnen in der Rundfunk- und Fernsehbranche aber letztlich jegliche Relevanz. Zur Einordnung haben die Sozialversicherer einen Abgrenzungskatalog beschlossen (LINK) – der im Einzelfall je nach Gusto und Interessenlage mal so, mal so ausgelegt werden kann. Der Katalog enthält Kriterien auf verschiedenen logischen Ebenen, die das Pendel mal in die eine, mal in die andere Richtung ausschlagen lassen können.

Vorrang für Nichtselbstständigkeit

Der Abgrenzungskatalog konstatiert zunächst einmal kategorisch, Freie Mitarbeiterinnen bei Funk und Fernsehen seien
GRUNDSÄTZLICH abhängig beschäftigt, ES SEI DENN, sie sind programmgestaltend tätig, dann sind sie freiberuflich ODER sie sind in einem Katalog von Berufen genannt, die grundsätzlich selbstständig tätig sind. ABER NUR DANN, wenn sie jeweils einzelne Verträge bekommen UND bei manchen Berufen außerdem DIE BEDINGUNG ERFÜLLT ist, dass der eigenschöpferische Anteil bei ihrer Arbeit überwiegt UND ZWAR AUCH DANN, wenn sie in den technischen Apparat und das Produktionsteam eingebunden sind. ES SEI DENN wiederum, der Sender kann in einem „bestimmten zeitlichen Rahmen“ über ihre Arbeitskraft verfügen, dann sind sie abhängig beschäftigt. ODER die Selbstständige hat zusätzliche, nichtselbstständige Aufgaben. WENN diese Aufgaben letztlich überwiegen, ES SEI DENN, es gibt „besondere Umstände des Einzelfalls“ – dann können sie gleichwohl Selbstständige sein. UND UMGEKEHRT.

Das Überwiegensprinzip

ODER das sogenannte „Überwiegensprinzip“ greift: Wer nach den gesammelten Kriterien bei einer Tätigkeit als nichtselbstständig gilt, aber überwiegend andere selbstständige Arbeiten für den WDR macht, bei dem gelten auch die nichtselbstständigen Tätigkeiten als selbstständige.
ODER UMGEKEHRT.
ES SEI DENN es gibt andere Gesichtspunkte außerhalb des Abgrenzungskatalogs, so dass dessen Text überhaupt nicht relevant wird.

Alles klar?

Beispiele

Kameraleute sind grundsätzlich nichtselbstständig, können jedoch selbstständig sein, wenn ein „eigenschöpferischer Anteil“ beim Drehen überwiegt. Bei einer Kölner TV-Produktion, die Sportübertragungen machte, traf die Sozialversicherung einst bei einer Betriebsprüfung folgende Unterscheidung: Die „Schwenkerin“ auf der Tribüne ist abhängig beschäftigt, weil ihr die Bildregisseurin und das Spielgeschehen den Bildausschnitt diktieren; die Frau mit der Schulterkamera unten am Spielfeldrand jedoch ist selbstständig, weil sie eigenständiger der Bildregie ihre Bildmotive anbietet.

Moderatoren und Präsentatoren sind selbstständig, aber nur wenn sie „eigenschöpferisch“ sprechen. Diese Unterscheidung war einst Gegenstand einer aufwändigen Betriebsprüfung beim WDR, bei der die Magazin-Moderatorinnen von nichtselbstständig auf selbstständig umgestellt wurden.

Die folgenden Berufsgruppen haben in dem Berufskatalog des Abgrenzungskatalogs die Fußnote, dass das „Eigenschöpferische“ überwiegen muss, damit sie als selbstständig gelten: Bildgestalterinnen, Regisseurinnen, Editorinnen und Cutterinnen, Kabarettistinnen, Komikerinnen, Moderatorinnen und Präsentatorinnen, Producerinnen, Realisatorinnen, Trailereditorinnen und Übersetzerinnen.

Was ist eine “Realisatorin”?

Wobei manche dieser Begriffe selbst definitionsbedürftig sind. Qu’est-ce qu’une réalisatrice? – Was ist eigentlich eine Realisatorin? Wessen schöpferische Leistungen realisiert sie? Die Tätigkeitsbezeichnung hat irgendwann mal irgendjemand in das Sozialversicherungswesen eingeführt. Aus dem Französischen übersetzt sich Realisatorin mit Regisseurin.

Was eine „Producerin“ macht, das wechselt von Land zu Land, von Unternehmen zu Unternehmen. Mal sind sie Hilfskräfte, mal (z.B.in den USA) nennt man TV-Redakteurinnen so.

Livecharakter macht selbstständig

„Darstellerinnen“ sind laut Katalog nur als Gast einer Sendung mit Livecharakter selbstständig; Chorleiterinnen nur, wenn sie Arbeitgeberinnen eines Ensembles sind; Musikerinnen, Artistinnen und Tänzerinnen nur, wenn sie eine Sololeistung erbringen, und Schauspielerinnen kommen in der Liste überhaupt nicht vor.

Maskenbildnerinnen und Visagistinnen sind nur bei Film und Fernsehspiel selbstständig, nicht aber im Studio einer Magazinsendung.

Hingegen sind folgende Berufe selbstständig (fast immer – falls es in den Weiten der Sozialgesetzgebung und im Dickicht der Rundschreiben der Sozialversicherer nicht eine Begründung dagegen gibt): Architektinnen, Arrangeurinnen, Autorinnen, Berichterstatterinnen, Bühnenbildnerinnen, Film- und Fernseharchitektinnen, Filmautorinnen, Filmkomponistinnen, Fotografinnen, Gesprächsteilnehmerinnen, Grafikerinnen und Videografikerinnen, Interviewpartnerinnen, Kommentatorinnen, Komponistinnen, Korrespondentinnen, Kostümbildnerinnen und -beraterinnen, Kunstmalerinnen, Lektorinnen, Lichtgestalterinnen und Lichtdesignerinnen.

Journalistinnen gibt es nicht

Auch Journalistinnen sind in dem Abgrenzungskatalog immer selbstständig, aber – Überraschung! – Journalistinnen gibt es unter den Freien Mitarbeiterinnen beim WDR sozialrechtlich angeblich überhaupt nicht. Journalismus scheint ein Zustand zu sein, kein Beruf. (Überlegenswert – das deckt sich mit Beobachtungen auf Partys, auf denen sich viele dieser Spezies tummeln…)

Begriffsabgrenzungen als Game

Schon die Abgrenzung mancher Bezeichnungen voneinander ergibt ein schönes Verwirrspiel. Wann ist jemand Realisatorin, wann Filmautorin, wann Regisseurin? Was unterscheidet einen Trailer von einem Ankündigungsvideo? Wer ist Korrespondentin, wer ist Berichterstatterin? Wie muss eine Beleuchterin arbeiten, um zur Lichtgestalterin zu werden? Und dann noch die Fußnoten: Wie stark muss eine Cutterin sich gegen eine Regisseurin durchsetzen, um ihren eigenschöpferischen Anteil zu stärken? Sinkt der schöpferische Anteil der Regisseurin dadurch so stark, dass sie zur abhängig Beschäftigten mutiert – womöglich als réalisatrice?

Der Tätigkeiten-Katalog des WDR

Nachdem nun klar ist, dass nichts klar ist und die Grauzone bis zum Horizont reicht, suchen wir Zuflucht bei einer pragmatischen Aussage von berückender Einfachheit: Was eine selbstständige und was eine nichtselbstständige Tätigkeit ist, müssen wir gar nicht entscheiden. Darüber entscheiden erst der WDR, in nächster Instanz die Sozialversicherungsträger und letztlich die Sozialgerichte.

Ein Katalog zum Herauspicken

Die große Grauzone allerdings bleibt da draußen in der wirklichen Welt bestehen. Schon jeder der öffentlich-rechtlichen Sender wendet den Abgrenzungskatalog unterschiedlich an. Innerhalb des WDR aber gelten Regeln, die von den Sachbearbeiterinnen als feststehend angesehen werden müssen, weil ihnen die Deutsche Rentenversicherung im Nacken sitzt, die als zuständige Betriebsprüferin alle vier Jahre im WDR erscheint. Es gibt gegen deren Vorgaben keinen Spielraum für Verhandlungen, allenfalls Argumente können vorgetragen werden.
So gilt denn im WDR ein langer Katalog von Tätigkeiten, denen jeweils zugeordnet ist, ob sie als selbstständige oder nichtselbstständige Tätigkeit angesehen werden müssen – oder ob es auf den konkreten Fall ankommt. Diesen Katalog habe ich in seiner aktuellen Fassung leider nicht erhalten.Für die erste Auflage dieses Textes (2002!)durfte ich ihn noch sehen. Doch exemplarisch können einige Tätigkeiten genannt werden:

WDR-Nichtselbstständige und Selbstständige

Im WDR so gut wie immer nichtselbstständig sind beispielsweise Kameraleute, Tontechnikerinnen, produktions- und redaktionsunterstützende Tätigkeiten jeder Art. Immer selbstständig sind Radioautorinnen. Aber “Berichterstatterinnen” im WDR-Hörfunk sind nichtselbstständig, während “Reporterinnen” als Selbstständige angesehen werden. Warum das? Was ist der Unterschied? Fragt mich nicht.

Oder es kommt drauf an

Bei manchen Tätigkeiten kommt es darauf an, wie die Tätigkeit im Einzelnen läuft:
Moderatorinnen sind in den allermeisten Fällen selbstständig – wenn sie nämlich selbst verfasste Texte sprechen.
Reporterinnen und “Realisatorinnen” für das Fernsehen gelten in den allermeisten Fällen als nichtselbstständig. Das trifft – zunächst einmal – auf fast alle in den Regionalmagazinen arbeitenden zu (Aktuelle Stunde und Lokalzeiten). Maßgeblich dafür ist, dass sie als stark eingebunden in den Betriebsablauf gelten. Allerdings dürfen manche Reporterinnen belegen, dass ihre individuelle Arbeitsweise so viele Merkmale selbstständiger Tätigkeit hat, dass sie aufgrund dessen für den WDR als selbstständig gelten. Das gilt vor allem für Menschen, die eigenständig Themen anbieten und recherchieren, ihre Arbeitszeit selbst bestimmen und dann nur noch zur Produktion des Beitrags mit dem WDR-Apparat, dem TV-Team und den Cutterinnen zusammenarbeiten. Wer sich als TV-Reporterin also für selbstständig hält, fragt in der Sozialversicherungs-Abteilung nach Details. Keine Scheu: Der leitende Kollege dort hat mich (im Jahre 2011 hehehe) ausdrücklich dazu aufgefordert, diesen Aufruf in das Buch aufzunehmen.

Bei Mischtätigkeit in die die KSK kommen.

Die meisten Menschen, die TV-Magazinbeiträge machen, erhalten dafür in der Regel zwei Verträge, einen Urhebervertrag für das Manuskript bzw. das Drehbuch des Berichts und einen Mitwirkendenvertrag für Regie und Realisation. Die Arbeit im Rahmen des Urhebervertrags gilt als selbstständige, die für die Regie als nichtselbstständige Tätigkeit. Zusammen müssen beide Verträge mindestens die Summe erreichen, die im Honorarrahmen als Mindestvergütung für Magazinbeiträge genannt ist. Es hat sich, auch aufgrund des dringenden Wunsches der Beteiligten, eingebürgert, dass der Urhebervertrag auf einen höheren Betrag lautet als der Mitwirkendenvertrag. Somit gilt das Produzieren eines Magazinbeitrags als selbstständige Tätigkeit. Aber halt! Wenn über die Zeit gesehen nur solche Beiträge anfallen, dann ja. Aber wenn beim WDR weitere rosafarbene Mitwirkendenverträge für andere Tätigkeiten ausgestellt werden, dann kann es passieren, dass die rosafarbenen Anteile an ihren Magazinbeiträgen der Autorin ein Bein stellen und sie beim WDR insgesamt dennoch als nichtselbstständig gewertet wird.

Hintergrund: Die Interessenlagen

Im Interesse der Sozialversicherer liegt es, möglichst verlässliche Einnahmen direkt an der Quelle zu kassieren: Dann kann auf dem Weg von der Einkommensquelle in die Sozialkassen nichts verloren gehen. Deshalb ziehen sie eine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung den anderen vor. Dabei sind sie aber auch opportunistisch. Es wird so lange argumentiert, eine Tätigkeit sei nichtselbstständig, bis sich das als nicht mehr praktikabel erweist. So erreichten die Filmsynchronsprecherinnen einst die Einstufung als Selbstständige, weil sich erwies, dass sie für die Arbeit bei – berufstypisch – vielen unterschiedlichen Synchronunternehmen nicht nur insgesamt viel zu viel Geld in die Kranken- und Rentenversicherung eingezahlt hatten, sondern auch, dass einiges davon auch auf dem Weg in die Rentenkasse verloren gegangen war und dass die ganze Abrechnerei für sie, ihre Auftraggeberinnen und die Sozialversicherungen einen ungeheuren Aufwand bedeutete. Und plötzlich akzeptierte man bei der Sozialversicherung und dem Sozialministerium, dass ihre schauspielerische Leistung beim Sprechen eines Filmdialogs eine derartige schöpferische Höhe und Unabhängigkeit gegenüber den Synchron-Regisseurinnen erreichte, dass nur noch von einer selbstständigen Tätigkeit gesprochen werden konnte.

Der Staat hat ähnliche Interessen wie die Sozialversicherungen – starke Sozialkassen mit verlässlichen Einnahmen und wenig Steuerzuschüsse – wenn das auch je nach politischer Färbung der Regierung ein bisschen irisiert. Beim Staat kommt aber noch als weiteres Interesse hinzu, möglichst wenige Mitglieder in die Künstlersozialkasse hineinzulassen, denn die kosten Steuergeld. Ein Fünftel der Beitragssumme, die die KSK einsammelt, kommt vom Staat.

Das Interesse der Auftraggeberinnen hingegen, wie es freien Rundfunk- und Fernsehmitarbeiterinnen außerhalb des WDR begegnet, ist, dass möglichst alle, selbst die Scheinselbstständigen, „auf Rechnung“ arbeiten und bitteschön für ihre soziale Absicherung selbst sorgen. Nicht einmal die Künstlersozialabgabe (3,9 Prozent statt der rund 20 Prozent Arbeitgeberanteile für einen abhängig Beschäftigten) wollen sie bezahlen. Als vor einigen Jahren die KSK begann, die Verwerterabgabe konsequenter zu kassieren, schrien die Verbände einiger derer Zeter und Mordio, die beim Ignorieren des Künstlersozialversicherungsgesetzes ertappt worden waren. Der deutsche Industrie- und Handelskammertag verlangte prompt die Abschaffung der Künstlersozialabgabe in der bisherigen bewährten Form.

Ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der WDR hat anders gelagerte Interessen. Er wird als öffentlich-rechtliches Großunternehmen von den Sozialversicherungen seit Jahrzehnten schärfer kontrolliert als beispielsweise ein Tageszeitungsverlag oder (bisher) eine kleine TV-Produktion. Während die Verleger (und etliche Fernsehproduktionen) sich anscheinend von allen Kontrollinstanzen jahrelang unbehelligt nahezu jede sozial- und arbeitsrechtliche Schweinerei leisten konnten und in manchen Redaktionen der Presse sich nur scheinbar freie Redakteurinnen täglich an ihren Schreibtischen niederließen mussten die Rundfunkunternehmen in der Vergangenheit schon saftige Nachzahlungen leisten. Da passt man beim Non-Profit-Unternehmen WDR lieber gut auf, und das auch aus sozialer Verantwortung. Der Sender richtet sich nach den Vorgaben und sträubt sich nicht gegen Zahlungen – lieber kein Risiko eingehen.

Die Betroffenen und ihre Verbände wiederum agieren zum Teil gegeneinander. DGB-Gewerkschaften finden nichtselbstständige Arbeit besser als selbstständige, jedenfalls grundsätzlich. Nach meinem Eindruck hat die Gewerkschaft ver.di namentlich in den regionalen Verbänden beim Bayerischen Rundfunk, dem NDR und dem ZDF für Freie Mitarbeiterinnen vor allem ein Modell vor Augen: Menschen, die ausschließlich und permanent für den einen Sender tätig sind und die fast wie Arbeitnehmer arbeiten. Für die “festen Freien” ist keine Forderung zu schade, bis hin zur Unkündbarkeit – beim BR und beim ZDF wurde das auch weitestgehend erreicht. Das ist angemessen für Menschen, die sowieso angestelltenähnlich arbeiten.Aber es führt auch dazu, dass für Externe nur noch wenige Aufträge übrig bleiben. Beim Bayerischen Rundfunk bekommen sie sogar weniger Geld für dieselbe Arbeit. Beim NDR bewirkte hingegen die erreichte tarifvertragliche Unkündbarkeit (nach 15 Jahren Arbeitnehmerähnlichkeit und kettenweise abgeschlossenen Rahmenverträgen) geradezu das Gegenteil: „Hau nach zwölf Jahren erst mal ab, damit Du nicht unkündbar wirst. Komm nach ein, zwei Jahren wieder, aber dann wirst Dein Umsatz limitiert.“
Mit dem Idealbild des „festen Freien“ in TV und Hörfunk korrespondiert, wenn ver.di z. B. beim NDR die Versicherungsart als abhängig Beschäftigte als Nonplusultra sieht und deswegen dem NDR und den örtlichen Betriebsprüfern der Sozialversicherung keinen Gegenwind macht. Angestrebt wird die Einstufung der freien Mitarbeit als durchgehendes Versicherungsverhältnis – womit dann auch verbunden ist, dass die „Freien“ in die Arbeitslosenversicherung einzahlen und dort auch Ansprüche entwickeln. Das Konzept ignoriert nur leider die anderen – die weiter existierenden Freiberufler, die plötzlich in Jacken gequetscht werden sollen, die ihnen nicht passen.
Das Folgende ist mir selbst passiert: Von einer Arbeitsreise nach Indien aus angerufen, dem NDR Beiträge angeboten und sie dann fertig produziert aus einem Internetcafé in Kalkutta ins NDR-System hochgeladen. Etwas Selbstständigeres als das ist nach WDR-Kriterien kaum vorstellbar. Der NDR hat dafür Sozialversicherung und Lohnsteuer einbehalten – entgegen allen Regeln des Sozialrechts. Nach hitzigen Telefonaten mit einer sturen Sachbearbeiterin und dem Einsenden eines (eigentlich für die Beurteilung einer bestimmten Tätigkeit nutzlosen) Belegs der Künstlersozialkasse blieb es immer noch beim Steuerabzug, für dessen Rücknahme die gute Frau eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes verlangte. Viele Freie Mitarbeiterinnen aus dem WDR-Sendegebiet bieten dem NDR wegen dieser Sozialbürokratie keine Beiträge mehr an. Das Verhalten des NDR hat vermutlich noch weitere Hintergründe: Nichtselbstständige Mitwirkende haben weniger Nutzungsrechte und seltener Wiederholungshonorar als selbstständige Urheberinnen. Da läuft es beim WDR doch erheblich besser.

Die Ursache der komplizierten Praxis

Die Gemengelage der vielen Interessen erklärt, warum die sozialpolitische Praxis so kompliziert ist. Es gibt Gezerre hinter den Kulissen, in Kommissionen und Ausschüssen. Außer den berufsmäßigen Fachleuten beschäftigen die daraus resultierenden Gesetze, Verordnungen, Arbeits- und Kriterienpapiere im Detail aber nur ganz wenige Masochisten, die sich die Materie aneignen. Die sinnvolle Verbindung zur Arbeitswirklichkeit erschließt sich für manche Regeln nie.
Und jetzt kommt auch noch dieser Fragebogen vom WDR. In dem interessieren sich die WDR-Fachkräfte nicht nur, einmal mehr, für die Einschätzung der WDR-Tätigkeiten, sondern für das Gesamtbild der beruflichen Tätigkeit. Denn mit der Prüfung der Frage, ob jemand beim WDR als Nichtselbstständige oder Selbstständige arbeitet, ist die Sozialversicherungsfrage insgesamt noch gar nicht geklärt …
Schubladen, Etiketten und ihre Konsequenzen

 

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