Personalrat
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Die Personalvertretung – neue Rechte für Freie
In das Landespersonalvertretungsgesetz hat der nordrhein-westfälische Landtag Mitte 2011 einige wenige Worte eingefügt, die beim WDR große Folgen haben könnten.1 Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind demnach nämlich nunmehr auch die “arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne des Paragrafen 12 a Tarifvertragsgesetz“. Damit gibt es neue Rechte für alle Arbeitnehmerähnlichen im Sinne des Gesetzes – und das sind beim WDR mindestens 1.900.
Wer…
für den WDR als Freie Mitarbeiterin arbeitet,
ein Drittel des Einkommens von der ARD bezieht2 und
nicht so viel verdient, dass er nicht mehr als “vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig” gilt,
… hat nunmehr neue Rechte.
Und sogleich zeigt sich eine Unsicherheit bei der Durchführung des Gesetzes. Denn, um zu entscheiden, ob der Personalrat für eine bestimmte Freie Mitarbeiterin zuständig ist, schauen beim WDR noch Anfang 2012 beide Seiten – Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber – lediglich in die Liste derjenigen, die nach den Kriterien des Sozial- und Bestandsschutz-Tarifvertrages arbeitnehmerähnlich sind.3 Die 1.900, das sind diejenigen, die beim WDR einen Anspruch auf Haupturlaubsentgelt dokumentiert haben. Das steht im Widerspruch zum Gesetzestext, dessen Definition weit darüber hinaus geht, weil ihm zufolge der Anteil des ARD-Einkommens am Gesamteinkommen zählt.
Die Arbeitnehmerähnlichen können sich jetzt mit ihren Anliegen auch an den Personalrat wenden und – falls diese in die Zuständigkeit des Personalrats fallen – um Vertretung ihrer Interessen gegenüber dem Arbeitgeber bitten.
Sie können an Personalversammlungen4 teilnehmen und sich dort auch zu Wort melden. Dafür bekommen sie Verdienstausfall und Reisekostenerstattung.5
Sie können den Personalrat mitwählen und damit dessen Zusammensetzung bestimmen. Die erste Gelegenheit dazu ist im Juni 2012.
Sie können sich in den Personalrat wählen lassen, wenn sie zum Zeitpunkt der Personalratswahl seit einem halben Jahr den Status der Arbeitnehmerähnlichkeit als freie WDR-Mitarbeiterinnen haben.6
Wahlen unter neuem Vorzeichen
Wenn dieses Buch erscheint, haben die Gewerkschaften schon ihre Kandidatinnenlisten für 2012 aufgestellt, im Falle von ver.di und DJV sind darin engagierte arbeitnehmerähnliche Freie Mitarbeiterinnen angemessen vertreten. Weitere Wahl-Listen können bis drei Wochen nach der Wahlausschreibung eingereicht werden. Werden Arbeitnehmerähnliche in den Personalrat gewählt, muss der Modus für die Bezahlung ihres Verdienstausfalls und für mögliche Freistellungen geklärt werden. Denn wie die Angestellten dürfen sie die Personalratsarbeit während ihrer Arbeitszeit erledigen7 und dürfen keine Nachteile dadurch erleiden.8
Sobald der Wahlvorstand seine Wahlausschreibung veröffentlicht hat, laufen zwei Fristen: eine dreiwöchige für das Einreichen von Wahlvorschlägen und eine einwöchige Frist für die Korrektur der Wählerliste.
Jede, die sich für wahlberechtigt hält, sollte also nach der Wahlausschreibung umgehend im WDR.Intranet nachschauen, ob sie in der Wählerliste erscheint und falls nicht, ihre Eintragung verlangen. Allerdings war schon im Vorhinein zu hören, dass es bis zum Wahltag Änderungsmöglichkeiten der Wählerliste geben werde, insbesondere bei den Freien Mitarbeiterinnen. Denn ob sie wahlberechtigt sind, kann sich zwischen der Bekanntgabe der Wählerliste und dem Wahltag noch geändert haben.
Details, wer genau wählbar ist und wer genau wählen darf, sind zum Redaktionsschluss des Buches noch Gegenstand von Diskussionen. Informationen darüber stehen bereits auf www.freienseiten.de und werden laufend aktualisiert.
Auch für Leiharbeitnehmerinnen ist der Personalrat nun stärker als früher zuständig. Sie können mitwählen und sich zur Wahl aufstellen lassen, zu Personalversammlungen gehen und sich mit ihren Anliegen an den Personalrat wenden. Allerdings können diese Rechte vom Arbeitgeber möglicherweise auch leichter torpediert werden, weil im Falle des WDR bei den meisten Leiharbeitnehmerinnen zwischen den Beschäftigungen Lücken entstehen. Auch dies muss noch genauer geklärt werden.
Neue Möglichkeiten der Arbeit
Ob die Personalratsarbeit weiter läuft wie bisher und das Gremium zu 97 Prozent seiner Arbeit Vorlagen des Arbeitgebers abarbeitet oder ob dessen Arbeit zum Beispiel zu einem besseren Verständnis von Freien und angestellten Mitarbeiterinnen untereinander beiträgt, das wird nicht nur von den Personalratsmitgliedern abhängen. Die Freien selbst müssen sich einmischen und die Arbeit des Personalrats mit eigenen Inititativen befeuern und Konzepte für eine Einmischung des Personalrats entwickeln. Über die Mailingliste wdrfreie oder die Gewerkschaften können sie sich zugunsten solcher Initiativen koordinieren. Die Website freienseiten.de und die Intranet-Seite des WDR-Personalrats werden vielleicht darüber informieren, was sich bewegt – und was nicht.
Die weit über 2.000 neuen Mitarbeiterinnen9 im Sinne des Gesetzes vergrößern den WDR-Personalrat als Gremium und berechtigen zu neuen Freistellungen, bieten also die Möglichkeit, dass sich weitere Mitglieder in Vollzeit um die Belange der Beschäftigten kümmern. Der Personalrat kann aber zudem auch viel mehr für die Sache der Freien Mitarbeiterinnen tun als bisher. Und das ist auch dringend notwendig. Bei den Angestellten sind bereits seit Jahrzehnten alle möglichen Regekb in Dienstvereinbarungen festgehalten, Planungen, die die Arbeitsbedingungen betreffen, musste der Arbeitgeber schon immer dem Personalrat vorlegen – und der konnte sich dann einmischen. Bei Freien dagegen herrscht in etlichen Dingen noch die reine Willkür; die Kapitel dieses Buches geben beredte Auskunft darüber. Es wäre schön, wenn der WDR-Personalrat gerade dort lebhaft und initiativ wird, wo es sich für die Freien Mitarbeiterinnen lohnt.
Abschluss von Dienstvereinbarungen mit neuen Themen
Der Personalrat kann Dienstvereinbarungen10 auch für (arbeitnehmerähnliche) Freie Mitarbeiterinnen abschließen.
Eine sehr sinnvolle Dienstvereinbarung könnte zum Beispiel den Dauerstreitanlass der „Feststellung der vertraglichen Beschäftigungstage“ beseitigen, indem dafür transparente Prozeduren geschaffen und der Willkür von Abteilungsleitungen entzogen werden. Die vertraglich registrierten Beschäftigungstage sind wichtig für Ansprüche aus den Tarifverträgen. Seitdem sich das bei diversen Abteilungen herumgesprochen hat – und seitdem der Sozialetat auf ihre Etats umgelegt wurde – gibt es verstärkt Berichte darüber, dass die Zahl der registrierten Arbeitstage gegen den Willen der Freien künstlich nach unten gedrückt wird. Auch bei Angestellten werden deren Pensionsanspruch und ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht auf die Abteilungsetats umgerechnet. Der Personalrat könnte sich dafür einsetzen, die unheilvolle Regelung bei den Freien rückgängig zu machen.
Eine andere lohnende Dienstvereinbarung könnte Ausführungsbestimmungen dazu enthalten, wie eine Leistung den korrekten Positionen des Honorarrahmens zugeordnet wird, damit z. B. aufwändige Leistungen auch höher vergütet werden. Dazu müsste möglicherweise der Vergütungstarifvertrag mit einer Öffnungsklausel versehen werden. Unter Umständen hätte der Personalrat sogar einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber eine solche Regelung trifft, weil für „Fragen der Gestaltung des Entgelts innerhalb der Dienststelle, insbesondere die Aufstellung von Entgeltgrundsätzen…“ eine Mitbestimmungspflicht gilt.11
Mitbestimmungspflicht
Wenn der Arbeitgeber Änderungen bei Rationalisierungs-, Technologie- und Organisationsangelegenheiten Änderungen vorhat, ist das mitbestimmungspflichtig12 – auch dann, wenn diese ausschließlich Freie Mitarbeiterinnen und/oder Leiharbeitnehmerinnen betreffen sollten.
Aktuelle Beispiele:
Wenn im Hörfunk im Rahmen von „Radio 2020“ die Workflows komplett verändert werden, muss dies durch den Personalrat – und der kann nun auch auf die Interessen der Freien Mitarbeiterinnen und Leiharbeitnehmerinnen achten und die Betroffenen in den Entscheidungsprozess einbeziehen.13
Wenn die Reisekostenabrechnungen in Zukunft auch von den Freien Mitarbeiterinnen nur noch online abgegeben werden sollen, kann der Personalrat das zum Anlass nehmen, den herrschenden „Zwang zum Netzwerkzugang“ und die zunehmende Belastung der Freien Mitarbeiterinnen durch Verwaltungsaufgaben zu regeln und auch einen vollwertigen unkomplizierten Netzwerkzugang für Freie zu ermöglichen. 14
Wenn der Personalrat die Bedingungen an den Arbeitsplätzen für Freie Mitarbeiterinnen im Sender verbessern will, weil die sehr häufig keine Fenster haben und wie Rumpelkammern eingerichtet sind, ist das ein gutes Vorhaben.15 Der Arbeitgeber wird ihm vielleicht aber entgegenhalten, Freie Mitarbeiterinnen hätten ja gar keine Arbeitsplätze. Ob ein solch formalistisches Argument aber verfängt, ist offen. Ganz sicher ist diese Mitbestimmungsmöglichkeit für den Personalrat jedenfalls bei Leiharbeitnehmerinnen gegeben.
Für eine Ausweitung der Fortbildung von arbeitnehmerähnlichen Freien und Arbeitnehmerüberlassungskräften kann sich nun auch der Personalrat einsetzen.16
Ganz allgemein kann unter dem Stichwort „Mitbestimmung bei Privatisierung“ der Personalrat beeinflussen, welche Arbeiten auf Freie und andere übertragen werden und welche nicht.17 Begrenzt wird dieses Mitbestimmungsrecht allerdings spätestens durch die verfassungsrechtliche Rundfunkfreiheit. Es besteht aber sicher kein Grund zur Besorgnis, dass der Personalrat den WDR beispielsweise dazu bewegen wollte oder könnte, eine angestellte Moderatorin anstelle einer Freien zu beschäftigen.
Mitsprache und Anhörung
Bei vielen anderen Maßnahmen des WDR kann der Personalrat mitreden oder muss zumindest angehört werden – und zwar rechtzeitig. Nun kann er dabei auch die Interessen der arbeitnehmerähnlichen Freien und Leiharbeitnehmerinnen im Blick haben.18
Mitwirkung bei Planungen
Im neuen Landespersonalvertretungsgesetz sind die Mitwirkungsrechte des Personalrats ausgeweitet worden. Es ist von einem neuen Paradigma geprägt: Der Arbeitgeber wird dazu verpflichtet, vor “Organisationsentscheidungen” den Personalrat rechtzeitig, umfassend und fortlaufend zu unterrichten, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die daraus folgenden eigentlichen mitbestimmungspflichtigen Tatbestände noch gar nicht akut sind.19 Personalratsmitglieder können sogar beratend an Arbeitsgruppen teilnehmen, die “der Vorbereitung derartiger Entscheidungen dienen”.20 Bisher war das anders: Der Arbeitgeber musste sich erst beim Personalrat melden, wenn er das Kind schon in den Brunnen gekippt hatte – um mit diesem anschließend über die Bestattungskosten zu verhandeln.
Der Wirtschaftsausschuss
Der Personalrat kann verlangen, dass ein Wirtschaftsausschuss gebildet wird, den der Arbeitgeber “rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen” unterrichtet und die “sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung” darstellt.21 Beim Begriff „wirtschaftliche Angelegenheiten” werden Freie Mitarbeiterinnen hellhörig, denn sie werden ja aus den Sachetats bezahlt. Der vom Personalrat bestellte Wirtschaftsausschuss kann beraten über “.. 6. Rationalisierungsvorhaben, 7. Einführung neuer Arbeits- und Managementmethoden, (…) 11. Kooperation mit anderen Dienststellen im Rahmen interadministrativer Zusammenarbeit, 12. sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Beschäftigten der Dienststelle wesentlich berühren können.”22 „Beschäftigte der Dienststelle“ sind auch Freie Mitarbeiterinnen und Leiharbeitnehmerinnen, und es gibt sehr sehr viel, wovon ihre Interessen wesentlich berührt sein können.
CHECK Im Text dieser Seite findet sich noch Bedarf auf Aktualisierung und Klärung
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