Statusfragen: Die Sozialversicherung
Wie bin ich versichert in der Sozialversicherung? In der Rundfunkbranche kann die Antwort schwer fallen…
Dass eine als „Freie Mitarbeiterin“ bezeichnet wird, besagt für die Sozialversicherung zunächst einmal wenig. Sie könnte Freiberuflerin sein oder als abhängig beschäftigt gelten – auch wenn das nur für wenige Tage gilt. Die abhängig Beschäftigten werden wiederum in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Sie können als unständig Beschäftigte gelten oder als zeitweise Angestellte, oder als “wiederkehrend Beschäftigte”. Und all das kann sich kurzfristig ändern, wenn sich die Beschäftigung ändert. Oder wenn der Gesetzgeber ein Gesetz erlässt. Oder wenn die Sozialversicherer ihre Regeln ändern. Oder wenn ein oberstes Gericht anders urteilt als bisher. Oder wenn die gesetzliche Rentenversicherung nach einer Betriebsprüfung dem WDR veränderte Regeln aufgibt.
Von Selbstständig zu Nichtselbstständig
So manche Freiberuflerin, die ihre Krankenversicherung und ihre Altersversorgung als Selbstständige dauerhaft geregelt glaubte, wird blass, wenn der Fragebogen des WDR „zur Feststellung der Versicherungspflicht/-freiheit in der Sozialversicherung“ bei ihr in der Post ist. Sie weiß nicht, was soll es bedeuten. Warum kommt der Brief nun plötzlich? Irgendetwas hat sich geändert. Es kann sein, dass sie andere Auftraggeber im WDR gefunden hat. Die freie Fernsehmacherin, die Features dreht oder für die Spezialmagazine des WDR-Fernsehens Beiträge dreht, mutiert plötzlich zur nichtselbstständigen „Realisatorin“, wenn sie für ein Regionalstudio zu arbeiten beginnt. Oder sie hat zunehmend Jobs als “Producerin”.
… und umgekehrt
Genauso blass wird möglicherweise eine Freie Mitarbeiterin, die bisher als TV-Reporterin für Regionalstudios unterwegs war. Bisher war sie es gewohnt, dass ihre Sozialversicherung direkt vom Honorar einbehalten wurde. Sie erhält einen WDR-Fragebogen, wenn sie zum Beispiel begonnen hat, überwiegend Features und Magazinbeiträge zu drehen. Aber was jetzt? Fällt sie in ein unversichertes Loch?
Die Perspektive der Kassierer dominiert
In Rundschreiben der Sozialversicherer und in Handbüchern zum Thema Sozialversicherungsstatus wird geradezu genüsslich aufgedröselt, welche unterschiedlichen Fälle welche Auswirkungen haben sollen. Stets aus der Perspektive der Auftraggeberinnen, der Arbeitgeberinnen oder der Sozialversicherer – ein gefundenes Fressen für Expertinnen und ihre Fachsprache. Nur von einem ist selten die Rede: Vom Interesse der Betroffenen, anständig, bezahlbar, lückenlos und verlässlich versichert zu sein.
Durchgehend wird ignoriert, dass sich die Verhältnisse der Mitarbeiterinnen immer mal wieder ändern, von Statusfeststellung zu Statusfeststellung. Auf die immer kompliziertere Arbeitswirklichkeit mit ihren vielen „atypischen“ Erwerbstätigen nimmt das Sozialrecht bisher kaum Rücksicht.
Ein Konzept für durchgehende Sozialversicherung fehlt
Die in ver.di organisierten Selbstständigen haben deshalb vor Jahren schon gefordert, eine durchgehende Versicherung nach dem Muster der Künstlersozialversicherung zu schaffen, eine Versicherung, bei denen alle „Patchwork-Biografien“ mit versorgt und mit gedacht sind. Dann würden, zum Beispiel, alle Auftraggeberinnen ihre Beiträge in einen großen Topf einzahlen, aus dem die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung der wechselnden Freien Mitarbeiterinnen bezuschusst wird – ganz unabhängig davon, ob sie nun bei ihrer „freien“ Arbeit als Selbstständige oder Nichtselbstständige gälten.
Eine Machete für den Dschungel
In den Seiten zum Thema Sozialversicherung versuche ich, die Wege durch diesen Dschungel und die Konsequenzen der Einstufung aufzuzeichnen.
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