“Prognose”-Regeln
Zehn Tage pro Monat manchmal auch zwölf, sind das Maximum, das eine Freie normalerweise an „Prognosetagen“ beim WDR bekommen kann, vier das Minimum.
Eine Kamerafrau oder eine Tonassistentin, eine Produktionsassistentin und eine Tontechnikerin im Hörfunk dürfen jeweils nur durchschnittlich fünf Einsätze im Monat für den WDR haben. Sie gelten den Hausjuristen als zu wenig programmgestaltend (siehe hier zu den Hintergründen).
Eine Regieassistentin im Hörfunk darf im Schnitt an fünf Tagen im Monat ran, ebenso eine Autorin von Artikeln für „WDR print”. Denn wer für eine Zeitung / Website über eine Rundfunkanstalt arbeitet, kann nicht „programmprägend” für den Rundfunk sein.
Eine Autorin in TV und Radio bekommt eine „Zehntagesprognose”, eine Journalistin, die für einzelne Tage im Sender ist, um die Nachrichten zu gestalten aber nur vier Tage, eine Autorin für Nachrichtenfilme vier Tage.
Manche Moderatorinnen dürfen zwölf Tage pro Monat moderieren. Denn wenn der Sender beispielsweise zu der Auffassung gelangt, dass eine Sendung sehr stark von immer denselben Moderatorinnen geprägt werden soll, dann entscheidet eine „Prognosekommission“ über diese Ausnahme. Sie kann nur von einer Abteilung des WDR eingeschaltet werden, nicht von einer Freien Mitarbeiterin. Für große Einzelprojekte lässt der Sender Freie Mitarbeiterinnen dann auch mal ohne Beschränkung arbeiten.
Wie die „Prognose” ermittelt wird
“Durchschnittlich” soundso viele Tage pro Monat, hieß es im vorigen Absatz vorsichtig. Im Senderjargon wird weiterhin von der „Vier-, Fünf-, Sechs-, Acht- oder Zehntagesprognose” gesprochen.
Eigentlich aber müsste beispielsweise die „Zehntagesprognose“ richtigerweise „60-Tagesprognose” genannt werden, weil die Limitierung auf ein halbes Jahr gerechnet wird. Die Zehntagesfrau darf in sechs Kalendermonaten an 60 Tagen für den WDR tätig sein. Solange diese Grenze nicht überschritten wird, lässt der Sender auch 31 Tage Tätigkeit in einem Monat zu – es gibt also eigentlich keine „Zehntagesprognose,“ Geprüft wird das Einhalten der Begrenzung jeweils „gleitend” für den Monat der neuen Tätigkeit und die fünf Monate davor.
Beispiele
Beispiel 1: Die Mitarbeiterin hat von Januar bis Mai schon 55 „Prognosetage” verbraucht. Also lässt der Sender im Juni nur fünf Tage Tätigkeit für sie zu.
Beispiel 2: Eine Mitarbeiterin hat von Januar bis Mai genau ihr 60-Tage-Maximum ausgeschöpft. Dann wird sie im Juni „gesperrt“. Im Januar hatte sie 15 Beschäftigungstage, die beim „Weitergleiten“ des sechsmonatigen Betrachtungszeitraums aus der Betrachtung hinausfallen. Deshalb darf sie schon im Juli wieder maximal an 15 Tagen für den WDR eingesetzt werden.
Beispiel 3: Eine Autorin soll ein Radiofeature abliefern. Geschätzter Aufwand: 20 Tage in den nächsten zwei Monaten. In den vier Monaten davor war sie schon an 40 Tagen für den WDR tätig und eine andere Redaktion hat zehn ihrer Tage „vorsorglich” schon für die nächsten beiden Monate gebucht. In diesem Fall kann die Feature-Redaktion die neuen „Prognosetage“ erst bekommen, wenn die andere Redaktion die Tage der Autorin an sie abgibt. Andere Möglichkeit: Die Feature-Redaktion korrigiert ihre „Prognose“ um zehn Tage nach unten, zum Beispiel weil die Autorin an diesen zehn Tagen parallel für beide Auftraggeber im Sender tätig sein wird. Diese Beschäftigungstage, an denen zwei Aufträge bearbeitet werden, werden nicht doppelt gerechnet.
Sind Reisetage Prognosetage?
“Reine” Reisetage, die für WDR-Tätigkeiten anfallen, gelten nicht als „Prognosetage“, außer, sie werden als „vertragliche Tage” mit der Redaktion bzw. Abteilung vereinbart. So drückte es der Vertreter der zuständigen Abteilung auf Nachfrage aus. Wenn die Reisetage also anschließend als Beschäftigungstage auf dem Vertrag genannt sind, dann zählen sie auch für die „Prognose“.
Die „Prognose“ nach WDR-Zeitverträgen
Es ist nachvollziehbar, dass die WDR-Abteilungen vor allem unter den Freien Mitarbeiterinnen Ausschau halten, wenn sie eine geeignete Mitarbeiterin für einen Aushilfsvertrag suchen. Die Freien kennen sich mit den Abläufen weitgehend aus und benötigen keine lange Einarbeitungszeit. Der Sender hat im eigenen Interesse die „Prognose“-Sperrzeiten nach solchen Verträgen gelockert, weil Freie kaum mehr dazu bereit waren, Aushilfsverträge zu übernehmen. (Parallel wurden Sonderregelungen für WDR-Zeitverträge in den §8 Abs. 2 des Sozial- und Bestandsschutz-Tarifvertrag eingefügt, die dem Herausfallen aus dem Anspruch auf tarifliche Sozialleistungen vorbeugen sollen )
Während früher noch eine Sperrzeit von drei Monaten die Regel war, wenn eine Freie Mitarbeiterin eine mindestens achtwöchige Stelle beim WDR gehabt hatte, so gilt aus diesem Grund nun eine gestaffelte Regelung für unterschiedliche Fälle. Vor allem aber wird danach differenziert, ob die abhängige Beschäftigung in einem „engen sachlichen Zusammenhang” mit der Freien Mitarbeit stand, die darauf folgt. Wenn das der Fall ist, dann gilt weiterhin die (bis zu) dreimonatige Sperrzeit, weil die Beschäftigungstage aus dem Zeitvertrag voll auf die „Prognose“ angerechnet werden.
Weil der Begriff „enger sachlicher Zusammenhang“ auslegungsfähig ist, erkundigt ihr euch am besten vor der Unterschrift unter den Zeitvertrag danach, was er für eure freiberufliche Arbeit danach bedeuten wird.
Die Regelung mit dem “engen sachlichen Zusammenhang” hat auch Auswirkungen auf die Zeitverträge selbst. So kann es zum Beispiel passieren, dass der WDR eine freie Moderatorin und Autorin während ihres Aushilfsvertrags als Redakteurin eine Sendung nicht moderieren lässt, für deren Moderation sie als freier Mitarbeiterin immer wieder gebucht wurde. Sonst könnte ja das Arbeitsrecht die beiden Tätigkeiten als Redakteurin und als freie Moderatorin womöglich als zusammenhängend betrachten und dies als Indiz für einen Anspruch sehen, in Zukunft als Angestellte zu moderieren.
Nach allen anderen Zeitverträgen von bis zu sechs Monaten Dauer gilt nun nur noch eine einmonatige Sperrzeit. Das gilt nicht nur für Aushilfsverträge sondern auch für Praktika, Werkstudentinnen und Leiharbeitnehmerinnen.
Aushilfsverträge bis zu sechs Wochen ziehen sogar überhaupt keine Beschäftigungssperre nach sich, wenn der Vertrag „vorher” abgeschlossen wurde.
Wer von einem WDR-Volontariat, einem WDR-Pflichtpraktikum oder einer Hospitanz in Freie Mitarbeit wechselt, wird danach zwei Wochen lang gesperrt, nach einem WDR-Ausbildungsverhältnis einen Monat.
Keine Sperrfrist gilt für unbefristet Beschäftigte und Regionalkorrespondentinnen, die in Freie Mitarbeit wechseln. Regionalkorrespondentinnen sind Freie Mitarbeiterinnen, die der WDR in kleineren Orten der Regionen mit einer Art von weichem Gebietsschutz für die Berichterstattung aus Gegenden wie dem Lippeland oder dem Oberbergischen für die Regionalsendungen in Radio und Fernsehen. Die Regionalkorrespondentinnen arbeiten unlimitiert ohne „Prognose“. Und – so die Beobachtung über die Jahrzehnte hinweg – wenn sie sich auf interne Stellenausschreibungen woanders im Sender bewerben, haben sie sehr gute Chancen. (CHECK: Gibt es die Regionalkorrespondentinnen noch?)
Eine Sperre von drei Monaten Dauer droht hingegen Leiharbeiterinnen, die vom WDR entliehen waren und danach in freie Mitarbeit wechseln wollen.
Auswirkung von Verträgen und Sperrzeiten auf tarifliche Leistungen etc.
Die WDR-Verträge und die danach folgenden Sperrzeiten werden bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes nicht als Zeiten berücksichtigt, in denen kein Honorar geflossen ist.
Beispiel:
Eine Freie, die – beispielsweise für die Zeit ab 1. März Urlaubsentgelt beantragt, hat in den 12 Monaten davor einen Aushilfsvertrag von sechs Monaten Dauer gehabt, mit einer anschließenden Sperrzeit von einem Monat. Also eine “Ausfallzeit” von Juni bis Dezember für freie Mitarbeit. Deshalb fließt in die Berechnung der Ansprüche nur die Zeit von 1. März bis 1. Mai des Vorjahres und vom 1. Januar bis Ende Februar dieses Jahres ein (= fünf Monate = fünf Zwölftel des Jahres). Das bedeutet, sie braucht in dieser Zeit auch nur fünf Zwölftel der (in der Regel) 42 Prognosetage in der ARD gearbeitet zu haben. Das in diesen erarbeitete Honorar wird auch nur durch fünf Zwölftel der Normalarbeitstage geteilt, um den Tagessatz für das Urlaubsentgelt zu berechnen. Dasselbe gilt natürlich auch für Krankengeld und Mutterschaftszuschuss.
„Ich hab jetzt eine Prognose bei …“
Da sind manche neuen Mitarbeiterinnen andererseits auch stolz wie Oskar, wenn eine Abteilung für sie eine „Dauerprognose” gestellt haben will und nun plant, sie in Zukunft an einer durchschnittlichen Zahl von Tagen pro Monat zu beschäftigen. Allerdings: Eine „Dauerprognose” gibt es offiziell schon lange nicht mehr. Und eine Beschäftigungsgarantie besteht dadurch, dass Redaktionen ohne konkrete Aufträge ein paar Schätzungen in ein Computersystem eingeben, schon gar nicht. Vorhersagen können eintreffen – aber sie müssen es nicht.
Vom Umgang mit den eigenen Tagen
Freie Mitarbeiterinnen sollten selbst Buch führen, an welchen Tagen sie für den Sender gearbeitet haben, und was sie an diesen Tagen gemacht haben.
Sie sollten mit den Redaktionen, die sie beschäftigen, absprechen, welche Tage ins System eingegeben werden – und sich selbst diese Tage notieren.
Sie sollten bei Bedarf einen Auszug aus der Honorierungsdatenbank COGHOS über die eigenen Beschäftigungstage anfordern. Es besteht ein Anspruch darauf. (seit langem, nicht erst seit EU-Datenschutzverordnung: § 49 Landesdatenschutzgesetz NRW)
Sie sollten bei Eintreffen des Vertrages die Beschäftigungstage nachprüfen.
Sie sollten bei wichtigen Abweichungen die Redaktion um Korrektur bitten und den Vertrag an den WDR zurückschicken. Wenn der WDR daraufhin das Geld zurückfordert bzw. mit anderen Zahlungen zunächst verrechnet, so ist das nach Auffassung des Arbeitsrechtsrechtsexperten Albrecht Götz von Olenhusen illegal, weil die Mitarbeiterin ihre Leistung vollständig erbracht hat und damit die Honorarzahlung fällig ist.
Auch später lassen sich manchmal noch die Beschäftigungstage korrigieren. Was den WDR betrifft: ungern. Der zuständige Mensch in der Fachabteilung sagt dazu: „Wenn wir daran fühlen können, dass nur zur Erlangung von Leistungen Tage nachgemeldet werden sollen, legen wir das zur Genehmigung dem Verwaltungsdirektor vor. Und dann wurde bisher immer abgelehnt.”
Für den Fall, dass der WDR eine Korrektur verweigert, schriftlich die Abweichung niederlegen. Gegebenenfalls kann man die Abweichungen periodisch dem WDR per Brief zur Kenntnis geben, um im Falle eines Streites um tarifliche Ansprüche eine gemeinsame Beweisgrundlage zu haben.
Die registrierten Vertragstage stehen auf den Verträgen.
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