Wie können wir helfen?

Leiharbeit

You are here:
< vorige Seite
Cartoon: Hayzon

CHECK. Diese Seite ist noch nicht vollständig aktualisiert. Außerdem werden noch weiter die Fundstellen in Gesetzen und Tarifverträgen verlinkt.

noch immer auf dem … historischen Stand von 2012, seitdem hat sich viel verändert. Helft mir, es zu aktualisieren!

Leiharbeit beim WDR
Der allgemeine Skandal…
Die Praxis der Leiharbeit in Deutschland ist branchenübergreifend ein Skandal. Leiharbeiterinnen in NRW verdienen um die 40 Prozent weniger als die Stammbelegschaften der Betriebe und werden nicht – wie ständig behauptet – zur Bewältigung vorübergehender Mehrarbeit, sondern dauerhaft als Billigarbeitskräfte eingesetzt. Die Leiharbeit als Einstieg in eine unbefristete Stelle ist für sie eine ferne Utopie, stattdessen ist für die Mehrheit von ihnen spätestens nach drei Monaten Schluss mit dem Job.1 Gleichbehandlung mit regulär im Unternehmen Beschäftigten – das ist Illusion, eine nette Formulierung in EU-Richtlinien und Gesetzen. Leiharbeiterinnen einen gesetzlichen Lohnaufschlag zu garantieren wie in Frankreich, der ihr höheres wirtschaftliches Risiko und ihre Unsicherheit ausgleicht – das entspricht nicht der deutschen Logik. Der damals zuständige „Superminister“ Wolfgang Clement hingegen lobte schon in Vorbereitung der „Agenda 2010“-Aufweichung der Schutzgesetze im Jahr 2002 die Großunternehmen der Leiharbeitsbranche für deren Willen, Tarifverträge abzuschließen.2 Um dann unmittelbar nach seiner „aktiven“ Politikzeit als Aufsichtsratschef bei einem der von ihm geförderten Unternehmen einzusteigen.
Den Leiharbeiterinnen geht es derweil genau wegen der von Clement gelobten Tarifverträge schlecht. Denn die Scheingewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes waren den Arbeitgeberinnen der Branche zu Diensten und schlossen – in direkter Konkurrenz zu den DGB-Gewerkschaften, deren Verhandlungsmacht sie damit stark beschädigten – Dumping-Tarifverträge ab, die fortan für die Leiharbeitnehmerinnen galten. Andernfalls hätten diese nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) tatsächlich Anspruch auf gleiche Bezahlung und gleiche Behandlung wie die Stammbelegschaften gehabt. Doch diese Gesetzesbestimmung hatte für sie nie eine Bedeutung. Die vielbeschworene “Tarifautonomie” fungierte zumindest hier als Instrument zum Lohndrücken.
Zwar kippte das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2010 die unchristlichen Tarifverträge, denn es stellte fest: Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Leiharbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist überhaupt keine Gewerkschaft.3 Die Leiharbeitsunternehmen kann diese Tatsache Milliarden an Nachzahlungen für Sozialversicherungsbeiträge und erhöhte Löhne kosten.
Aber nun kommt der Tarifvertrag der DGB-Gewerkschaften mit den Verleihunternehmen ins Spiel. Der Vertrag ist zwar besser als der nun ungültige Tarifvertrag, aber in aller Regel längst nicht so gut wie der bei einer „echten“ Festanstellung geltende: Die Mindeststundenlöhne im DGB/iGZ-Tarif beginnen bei 7,80 und enden bei 17,76 Euro – direkte Folge der Dumping-Konkurrenz durch die Christlichen.
… und der beim WDR
Nach Informationen aus dem Sender wird für Leiharbeit ein Betrag ausgegeben, der rund 10 Prozent des Personaletats ausmacht. Damit würde beim WDR Leiharbeit häufiger eingesetzt als in der Gesamtwirtschaft. Aber warum spielt dies alles in einem Handbuch für Freie Mitarbeiterinnen überhaupt eine Rolle? Weil der WDR nicht nur zum Putzen und Handtuchbügeln sowie an den Eingängen seiner Gebäude Menge Leiharbeitnehmerinnen beschäftigt, sondern auch im Grenzbereich zur freien Mitarbeit. Der Sender forciert Leiharbeit bei Tätigkeiten ausgedehnt, die traditionell sowohl von Freien Mitarbeiterinnen als auch von Angestellten geleistet werden. Wie viele Leiharbeiterinnen beim WDR überhaupt arbeiten, darüber hat der Sender zum Redaktionsschluss dieses Buches selbst gar keinen Überblick, weil von so vielen unterschiedlichen Abteilungen Leiharbeitskräfte gebucht werden. Es ist kompliziert, es wird gezählt – auf der Wählerliste zur Personalratswahl 2012 müssen nach dem neuen Landespersonalvertretungsgesetz auch manche Leiharbeiterinnen stehen.
Schauen wir uns exemplarisch die Arbeitsbedingungen in einem solchen Bereich an, dem der Fernsehteams. Ver.di-Gewerkschafterinnen schätzen, dass, gemessen an dem ständig anfallenden Drehvolumen, allein in Köln mindestens ein Dutzend angestellte Tonassistentinnen plus einige Kameraleute fehlen. Vollzeitkräfte wohlgemerkt. Mit freier Mitarbeit und Leiharbeit werden auch hier längst nicht nur, wie behauptet, Beschäftigungsspitzen ausgeglichen. Zutreffender ist: Auf Teufel komm raus soll der seltene Fall vermieden werden, dass ein aus Angestellten bestehendes Kamerateam ausnahmsweise einmal nichts zu tun hat. An einem zufällig gewählten Arbeitstag waren für die Kölner Redaktionen (mit Ausnahme der Kölner „Lokalzeit“, die selbst Teams disponiert) neben 37 angestellten Kameraleuten und 28 angestellten Tontechnikerinnen/EB-Technikerinnen sieben freie Tontechnikerinnen unterwegs und neun in Leiharbeit, sowie sieben externe Kameraleute,. Wobei hinzufügt werden muss, dass auch zu den hier gezählten angestellten Kamerateams etliche Menschen mit befristeten Verträgen ohne realistische Chance auf Verlängerung gehören. Der Bereich der prekären Beschäftigung ist also noch größer als allein die Zahl der Freien und Leiharbeitnehmerinnen erwarten lässt.
Und die Bezahlung? Zum Beispiel Tontechnik: Eine Tonassistentin in Leiharbeit fällt in Entgeltgruppe 6 des DGB-Zeitarbeittarifs, der ihr einen Mindeststundenlohn von 12,90 Euro garantiert. Eine angestellte Tonassistentin beim WDR hingegen verdient in der Vergütungsgruppe IX mehr als den Höchstsatz des Zeitarbeitstarifvertrages, nämlich rund 20 Euro pro Stunde. Und das an jedem Tag – im Gegensatz zu ihrer freien oder ausgeliehenen Kollegin, deren Beschäftigung jeden Tag beendet sein kann.4
Leiharbeitszwang
Zunehmend wird freie Mitarbeit in Berufsbereichen wie Fernsehschnitt, Tontechnik und Kamera unmöglich gemacht. Die Kolleginnen werden regelrecht in die Leiharbeit getrieben, damit der WDR unlimitiert, weil „Prognose“-frei, über ihre Einsätze verfügen kann. Mit Beschäftigten in “Viertagesprognose” wären Schichten einfach nicht zu besetzen, sagt mir zum Beispiel die Leitung der WDR-Hörfunktechnik, also sei Arbeitnehmerüberlassung unausweichlich. So werden eingeführte Freie Mitarbeiterinnen einem Verleiher zugeschoben, der beim Sender bereits als AÜG-Betrieb registriert ist.
Die bittere Ironie der Arbeitnehmerüberlassung beim WDR ist, dass sich viele Leiharbeitnehmerinnen auf dem Arbeitsmarkt genauso verhalten müssen wie Freie. Denn der WDR fordert nicht Frau „Irgendjemand“ bei der Verleihfirma GibMirDie an, sondern ganz konkret die Kollegin Sandra, die sich fachlich schon so bewährt hat und mit der die (vielleicht selbst auch ausgeliehene) Kamerafrau Ute so gut zusammenarbeiten kann. Ein typischer Anmietungsvorgang sieht so aus: Die angestellte Kamerafrau vereinbart mit ihrer Lieblingstonassistentin einen Drehtag und informiert die WDR-Disposition davon. Die ruft dann bei der Verleihfirma an. Wenn diese dann die Tonassistentin „informiert“, wusste diese schon längst über ihren geplanten Einsatz Bescheid. Im Honorierungssystem des WDR können nicht nur die Unternehmen, sondern auch ihre Leiharbeitnehmerinnen direkt angeklickt werden, alle unter derselben Mitwirkungskennziffer – sechsmal die Neun. Manche Verleiherinnen brauchen kaum mehr als ein Diensthandy und ein Auto für ihre unternehmerische Tätigkeit – die bei genauerem Hinsehen nicht mehr als eine Abstaubertätigkeit ist. Denn Leiharbeitnehmerinnen bringen in diesem Arbeitsfeld bei der Einstellung gleich auch ihre Kunden mit. Der Kundenstamm besteht aus den Menschen im größten Sender Deutschlands, die genau diese AÜG-Kraft gerne unlimitiert beschäftigen wollen.
Keine Garantien
Die Tonfrau / Kamerafrau muss sich also bei einem Leihunternehmen anstellen lassen. Aber was heißt das in dieser Branche schon? Eigentlich müssten die Verleiher ihre AÜG-Kräfte durchgehend fest beschäftigen. Doch Betroffene berichten, dass alle denkbaren Arten von Regelungen existieren: Manche arbeiteten bei dem Unternehmen als “Freie” auf Rechnung, manche als Angestellte zu einem Tagessatz, andere für ein Monatsfixum, das bei besserer Beschäftigungslage aufgestockt werden kann. Alle aber haben eines gemeinsam: Das Risiko der Nichtbeschäftigung wird voll auf sie abgewälzt. Mal werden sie überhaupt nicht angefordert, dann haben sie keinen Beschäftigungstag und werden für den Monat auch nicht bezahlt; sie müssen sich stattdessen sogar die Sozialversicherungsbeiträge für den Verleiher berechnen lassen und geraten damit in die Miesen. In Monaten mit guter Beschäftigung wird dann etwas auf den schlechten Monat zurück gebucht. Und womöglich nennen Verleiherin und Entliehene die gesamte Beschäftigungsunsicherheit euphemistisch “Zeitkonto”.
Wenn dann aber beispielsweise eine Angestellte in das WDR-Studio versetzt wird, wo bisher die Leiharbeiterin gearbeitet hat, verliert sie von jetzt auf gleich komplett ihre Beschäftigung – und spätestens in diesem Moment wird auch klar, dass sie eigentlich eine Daueraufgabe des Senders erledigt hat, eine Stelle besetzt und dem Sender und seinen Angestellten eine höhere Arbeitsplatzmobilität ermöglicht hat. Das Leiharbeitsunternehmen zögert nicht damit, die nun überflüssige Leiharbeiterin zu entlassen; Alternativen kann es ihr nämlich nicht bieten. Die Gewinnmargen sind zwar hoch genug, um eine Verleiherin richtig reich zu machen, wenn sie hundert Arbeitskräfte verleiht, aber zu gering, um davon irgendeine Arbeitsplatzsicherheit ihrer Beschäftigten zu finanzieren. Und für einzelne Jobs zu einer anderen Verleiherin auszuweichen, das geht auch nicht: Mit ihrem Arbeitsvertrag sind die Leiharbeitnehmerinnen an eine einzige Verleiherin gebunden und für diese beim WDR registriert. Das Sahnehäubchen auf dem Köttel: Als Freie Mitarbeiterin ist eine Ex-Leiharbeiterin erst mal für drei Monate beim Sender gesperrt.
Viele Leiharbeitnehmerinnen trauen sich überhaupt nicht, sich für einen Urlaub abzumelden. Denn in dieser Zeit könnte eine andere sich beim WDR beliebt machen und ihr die Beschäftigung wegnehmen. Das System ist stabil, weil es die Konkurrenz aller mit allen verschärft. Die AÜG-Firmen konkurrieren miteinander, die Leiharbeiterinnen ebenfalls. Und die Freien Mitarbeiterinnen in demselben Berufsfeld schauen neidisch auf sie, weil sie unlimitiert arbeiten dürfen. Über die ungleichen und schlechten Arbeitsbedingungen mag kaum eine Leiharbeiterin etwas nach außen dringen lassen. Oft auch aus Scham darüber, dass sie gezwungen ist, unter diesen Bedingungen zu arbeiten.
Der WDR wiederum gibt den Pilatus und wäscht seine Hände in Unschuld. Weil die Verantwortlichen nur aufs Papier schauen, läuft nach außen hin alles nach Recht und Gesetz. Von den Verleiherinnen lässt sich der Sender routinemäßig bescheinigen, dass “die entsprechenden Mitarbeiter bei ihnen fest angestellt sind” und dass sie nur Kräfte beschäftigen, die nach Tarifvertrag bezahlt werden. Auf dem Papier ist damit alles in Ordnung.
Die Senderchefinnen sind gar nicht scharf darauf, dass die AÜG-Kräfte wirklich gleich behandelt werden wie Angestellte, wie es das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz im Prinzip postuliert. Das wird zusätzlich noch durch eine andere Bestimmung gewährleistet, die sich der WDR unterschreiben lässt: “Der Verleiher erklärt, Informationen zu den wesentlichen im WDR geltenden Arbeitsbedingungen im Sinne von §12 in Verbindung mit §3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG nicht zu benötigen.” Eine Verleiherin, die mal den Gesetzestext ernst nahm und bei ihrer neu gegründeten AÜG-Firma dieselben Arbeitsbedingungen wie beim WDR einführen wollte statt sich dem Billig-Zeitarbeitstarif zu unterwerfen, musste sofort lernen, dass sie damit beim Sender keine Chance hatte.
Am Ende zählt für die WDR-Oberen nur noch der niedrige Preis. Die Leiharbeitskräfte selbst verdienen nicht nur weniger als ihre angestellten, sondern auch weniger als ihre freien Kolleginnen. Für eine Tonassistentin zahlte der WDR 2011 der AÜG-Firma einen Tagessatz von rund 210 Euro, aus dem alle Kosten und die Sozialversicherung beglichen werden mussten – bis das Unternehmen merkte, dass es Verlust machte. Und das, obwohl es von dem Tagessatz nur rund 140 Euro brutto an die betreffende Tonassistentin weitergab. Freien Tonassistentinnen zahlt der Sender einen Tagessatz von rund 180 Euro.
Der WDR drückt auf Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Eine neu gegründete kleine Leihfirma machte ein Angebot für Achtstundenschichten – und wurde telefonisch gebeten, doch lieber gleich eine Pauschale für zehnstündige Einsätze zu machen. Andernfalls, so wurde bedeutet, habe das Unternehmen wenig Aussicht darauf, dass seine Teams auch gebucht würden. Wie wäre es denn mit 750 Euro für ein ganzes Team inklusive Ausrüstung? Im Leihunternehmen wird kalkuliert. Ergebnis: Von diesem Preis können Kamerafrau und Assistentin nicht einmal nach dem Zeitarbeitstarif bezahlt werden. Bisher konnte die Kamerafrau für ihr Team 800 Euro kalkulieren. Auch das ein Tarif, der seit 20 Jahren oder mehr nicht gestiegen ist.
Unter denen, die in die Leiharbeit gedrängt werden, sind Kameraleute, die eine lange Zeit in der einzigen Nische gearbeitet haben, welche der Sender ihnen ließ: “Materialankauf”. Der Sender beschäftigte sie als Team mit ihrer vollen Ausrüstung für einen Tagessatz. Doch in den Büchern des Senders tauchten sie als Beschäftigte nicht auf. Der Tagessatz floss an sie für den Ankauf der Senderechte an den Video-Aufnahmen, die sie schossen. Irgendwann beschlossen die Leitenden im Sender, dieses “illegale Loch” zu stopfen und untersagten allen Abteilungen den Ankauf von Senderechten auf diese Weise. Die betroffenen Kolleginnen wurden zum Teil sogar als Betrüger hingestellt. Dabei war es einfach so, dass der WDR das arbeitsrechtliche Risiko nicht mehr eingehen wollte, dass die Kamerateams sich womöglich hätten “einklagen” können, wenn sie dem Sender Material verkaufen, aber in Wahrheit als Team für Tagessätze gebucht werden.
Die beschäftigungslos gewordenen Kamerateams können woanders kaum Aufträge finden. Der Markt in NRW wird vom WDR dominiert, und die Privatsender haben schon ihre eigenen Leute. Sie sind gezwungen, bei einem AÜG-Unternehmen unterzukommen, oder Verwandte zu bitten, selbst eine Verleihfirma für sie zu gründen. Denn als “Prognose-Freie” an maximal vier Tagen im Monat eingesetzt werden zu können5, genügt den meisten nicht zum Überleben. Da müsste ein Zweitjob her – vielleicht Taxifahrerin, vielleicht Nachtportier. Und als „Prognose-Freie“ haben Kameraleute mit eigener Ausrüstung kaum eine Chance, ihre Investitionen jemals zu amortisieren, bei denen es immerhin um zigtausende Euro geht. Der WDR schreibt ihnen in aller Regel vor, die in den WDR-Schränken liegenden Kameras und Tonausrüstungen zu benutzen. Die WDR-Abteilungen haben außerdem kaum noch Lust, mit so vielen unterschiedlichen Freien zu jonglieren, die alle nur an maximal 24 Tagen im Halbjahr zum Einsatz kommen können.
Wer in dieser Lage eine AÜG-Firma gründen will, um beispielsweise seine als Kamerafrau arbeitende Partnerin an den WDR überlassen zu können, muss einen monatelangen Genehmigungsprozess mitmachen. Die Arbeitsagentur kassiert für das Verfahren vorab 750 Euro, es gehen ab und zu mal Bescheinigungen auf dem Weg zur Arbeitsagentur verloren, die Sozialkassen stehen sofort bereit um an der Quelle zu kassieren. Fünf, sechs Monate und viele Formulare später erst ist die Genehmigung da und der WDR nimmt den neuen Verleiher in seine Listen auf. Ob die Leiharbeitnehmerinnen dann aber wirklich gebucht werden, ist eine andere Frage. Am Ende stellt die freie Kamerafrau fest, dass ihr Job beim WDR nicht mehr gefragt ist: Die beim WDR angestellten Kamera-Assistentinnen sind an ihr vorbeigezogen und qualifizieren sich höher. Sie drehen selbst, obwohl sie weiter als Assistentinnen bezahlt werden – die Chance eines Aufstiegs von der Assistentin zur Kamerafrau vor Augen. Da bleiben dann nur noch wenige Drehschichten für externe Kameraleute übrig.
Der Konzern WDR verleiht auch Arbeitskräfte an sich selbst. Angestellt sind sie bei der WDR mediagroup, die sie an den WDR verleiht. Es handelt sich dabei so um die 35 Menschen – Webmasterinnen und Ingenieurinnen, IT-Fachleute und Tontechnikerinnen, aber auch Fahrerinnen. Zustände wie bei der wegen ihrer Leiharbeitstochter viel kritisierten Drogeriekette Schlecker?6 Beobachter sagen, Schlecker sei gerade wegen ihres ruinierten Rufes abgestürzt. Das Unternehmen musste im Januar 2012 Insolvenz beantragen. Andererseits geht es den mediagroup-Leiharbeitnehmerinnen besser als den anderen Leiharbeitnehmerinnen. Für sie gilt der Tarifvertrag der mediagroup, mit allgemein besseren Gehältern. Und sie sind durchgehend beschäftigt, allerdings mit Zeitverträgen von maximal einem Jahr Dauer.
Die EU-Richtlinie über Leiharbeit enthält unter anderem folgende Equal-Pay-Regel: Die Leiharbeitnehmerinnen haben ein Anrecht auf gleiche Bezahlung wie Angestellte mit der gleichen Tätigkeit. Abweichen dürfte ein Staat davon nur per Gesetz bzw. Tarifvertrag und nur für Leiharbeitnehmerinnen, die auch zwischen den Ausleihungen bezahlt werden.7 Ob aber die beim WDR tageweise beschäftigten Leiharbeitnehmerinnen auch zwischen ihren Einsätzen wirklich als “bezahlt” gelten können, scheint mir äußerst zweifelhaft. Denn de facto werden die Leiharbeiterinnen nur an den Einsatztagen beim WDR bezahlt, in den Zwischenräumen nicht. Im zum 1. Dezember 2011 neu gefassten deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz heißt es zudem lapidar: “Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend.”8 Ist es aber wirklich “vorübergehend”, wenn der WDR zu wenige Cutterinnen, Kamera-Assistentinnen und Tontechnikerinnen beschäftigt und deshalb täglich Leiharbeitnehmerinnen bucht? Ein Fall für den Personalrat, der darüber wachen soll, dass die Arbeitsgesetze eingehalten werden.
Es geht nämlich auch anders. Bei der Stadt Hannover beispielsweise haben ver.di, Personalräte und Arbeitgeber es geschafft, Leiharbeit auf ein Minimum einzuschränken. Warum das in Hannover gelingt? Die Beteiligten lasen sich nicht von der juristischen Frage lähmen lassen, ob denn so etwas überhaupt mit Tarifverträgen oder Dienstvereinbarungen geregelt werden dürfe und der Personalrat ist durchsetzungsbereit. Warum so etwas beim WDR nicht gelingt? Auch und nicht zuletzt, weil allgemein akzeptiert wird, Arbeit bei Medien sei etwas ganz Besonderes, das besondere Regeln erfordere.
Eine Mär. Auch bei den Hannoveranern gibt es kurzfristigen Arbeitskräftebedarf, kaum anders als beim Einsatz von Fernsehteams oder Cutterinnen: Wenn die Stammköchin einer Kindestagesstätte erkrankt, muss für das Mittagessen eine andere Köchin ganz kurzfristig einspringen; oft wird sie erst am selben Vormittag alarmiert. Es lässt sich ausrechnen, wie viele Köchinnen dafür als „Springerinnen“ in der ganzen Stadt permanent benötigt werden, und wie flexibel ihre Arbeitszeitregelungen sein müssen. Und das tat der Personalrat. Dann wurde in Hannover die Einstellung der bisher als Leiharbeiterinnen arbeitenden Köchinnen vereinbart – zu besonderen Regeln für die Arbeitszeiten, die dem Bedarf der Kitas gerecht werden.9 Unter dem Schutz des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst und zu gleichem Lohn für gleiche Arbeit.
Warum sollten solche Regeln bei Rundfunk und Fernsehen nicht möglich sein? Der Verdacht liegt nahe, dass lediglich der vom Rundfunkrat genehmigte Stellenplan danach aussehen soll, als käme der WDR mit immer weniger Arbeitnehmerinnen aus. Es gilt die Ansage der Intendantin, bis 2015 jährlich 11 bis 15 Stellen einzusparen. Angesichts der überbordenden Leiharbeit im WDR ist das leicht zu stemmen und reine Augenwischerei. Die Mitglieder des WDR-Rundfunkrats, meist Politikerinnen, können das eigentlich nicht mitverantworten.

Inhaltsverzeichnis