Konkurrenzverbot?
„Meine Mitarbeiterin ist nicht Deine, Deine ist nicht meine” – aber das ohne Beschäftigungsgarantie. Das Verhalten von WDR-Abteilungen, die Freie Mitarbeiterinnen für sich in Beschlag nehmen und ihre Arbeit für andere Auftraggeber behindern wollen, steht quer zur Rechtslage. Das aufwändige System, mit Hilfe der „Prognose”-Regeln die Beschäftigung einzuschränken, soll dafür sorgen, dass Freie sich nicht alleine vom WDR abhängig machen und schließlich womöglich auf eine Stelle einklagen können. Folgerichtig erscheint also, dass Freie jederzeit auch bei anderen Sendern und Unternehmen in ihrem Metier tätig werden können. Und im eigenen Interesse sollten sie es auch tun.
Verständlich ist eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit nur bei sehr programmprägenden Tätigkeiten, etwa wenn die gefeierte Rock-und-Pop-Moderatorin ihre Stimme auch aus Baden-Baden ins Rheinland sendet.
Letztlich aber steigert es den Marktwert einer Freien, wenn sie ihre Beweglichkeit und Unabhängigkeit beweist und deutlich macht, dass ihre Dienste auch von anderen Auftraggebern geschätzt werden.
Trotzdem: Mir liegt ein Brief vor, in dem sich eine regionale Redaktionsleitung bitter beklagt, dass eine offenbar wegen ihres Fachwissens geschätzte Freie Mitarberin sich mit anderen Auftraggeberinnen eingelassen hatte, als sie ach so dringend bei der Stammredaktion benötigt wurde. Dabei hatte sie alles getan, was sie nur tun konnte, um die Thematik auch dort zu bedienen. In anderen Fällen aber machte sie die Erfahrung, dass gerade das, was sie als Journalistin exklusiv recherchiert hatte, bei der angeblichen Stammredaktion gar nicht gefragt war. Die einmal beleidigte Redaktion zahlte ihr die Untreue mit Liebes- und Auftragsentzug heim.
Ob tarifliche Bestimmungen nützen?
In mehreren Tarifverträgen ist davon die Rede, dass Freie Aufträge von anderen annehmen sollen, um einen Schaden des WDR zu minimieren. Etwa beim Bestandsschutz: Während der Ankündigungsfrist wird der Betroffenen zur Pflicht gemacht, sich das anrechnen zu lassen, was sie anderweitig einnimmt.24
Der Grundlagentarifvertrag besagt klipp und klar, dass Freie ausserhalb ihrer Arbeitszeit für den WDR frei über ihre Arbeitskraft bestimmen dürfen, und im Produktionsdauertarifvertrag, der für (rosafarbene) Mitwirkendenverträge gilt, steht unter Punkt 10, dass ”anderweitige Tätigkeiten” außerhalb des WDR zulässig sind, wenn sie nicht die die WDR-Tätigkeit beeinträchtigen.
Logischerweise muss meines Erachtens der WDR genau darlegen, warum ihn die andere Tätigkeit beeinträchtigt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Punkt 10.2, der dem WDR die Möglichkeit gibt, Exklusivverträge abzuschließen. Mit anderen Worten: Exklusivverträge, in denen ein Konkurrenzverbot vereinbart wird, kosten mehr; der Verzicht müsste den betreffenden Freien vergütet werden.
All das nützt den Betroffenen leider wenig. Denn ein schleichender Auftragsentzug, weil ihre Stammredaktion beleidigt ist, ist schwierig zu belegen und ohnehin nicht justiziabel. Hier ist ein gemeinsames Arbeitsfeld für ein anderes Bewusstsein und für eine andere Praxis. Das beginnt bereits beim Sprachgebrauch: Wenn die Freien Mitarbeiterinnen weniger häufig Formulierungen benutzen, die so klingen als seien sie angestellte Mitarbeiterinnen „der” XY-Redaktion, ist ein erster Schritt getan. Warum nicht überall herum posaunen, „für” wie viele Auftraggeber man so unterwegs ist – und in dem Fall halt mal „für” die Redaktion XY? Und tatsächlich dafür sorgen, dass man wirklich mehrere Auftraggeber hat?
Die Beschränkung der Arbeitsmöglichkeiten kommt auch in anderem Gewand daher: Da macht eine Studioleiterin einer Mitarbeiterin wegen „mangelnder Unabhängigkeit” Druck, weil sie eine Gewerkschaftsveranstaltung moderiert hat. In einer ARD, deren WDR-beschäftigter Tagesthemen-Moderator auf Veranstaltungen von Banken und Industrie auftritt. Bei einem WDR, der als „Kulturpartner” Dutzende von Festivals in NRW fördert und demzufolge kritische Kulturberichterstattung über diese Veranstaltungen im eigenen Hause nicht wünscht, Veranstaltungen im Übrigen, bei denen Moderatorinnen in Rundfunk/Festival-Doppelfunktion auftreten.
In einem öffentlich-rechtlichen System, das mit der Berichterstattung über kirchliche Themen vorzugsweise kirchennahe Menschen und Produktionsunternehmen betraut.25 Diese Wächter des unabhängigen Journalismus dürfen ihren Purismus erst einmal bei der eigenen Suppe exerzieren, bevor sie Diät von den Freien fordern, die auf den Zugang zu anderen Suppentöpfen angewiesen sind.
Mittlerweile hat Intendant Tom Buhrow… ERGÄNZUNG
CHECK. Diese Seite ist noch nicht vollständig aktualisiert. Außerdem werden noch weiter die Fundstellen in Gesetzen und Tarifverträgen verlinkt.
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