Ein Belegexemplar – bitte!
Die Urheberinnen und prägenden Mitwirkenden haben innerhalb von sechs Wochen nach der Erstsendung Anspruch auf eine Ton- oder Bildträgerkopie der Aufzeichnung, die ihnen der WDR nur aus wichtigem Grund versagen kann.43 Was ein wichtiger Grund sein könnte, darüber schweigt sich der Tarifvertrag aus.
Die Urheberinnen aber benötigen Belegexemplare ihrer Arbeit – ein Zwischenzeugnis, wie es Angestellte bekommen können, nützt ihnen nichts. Die Szenenbildnerin, deren Werk ja gleich wieder abgebaut wird, kann dessen Wirkung ohne einen Sendemitschnitt nicht mehr sehen und zeigen. Und die Schauspielerin kann ihre Leistung ohne ein Belegexemplar des Hörspiels oder des Fernsehspiels weder sich noch anderen vorführen. Der WDR-Apparat begegnet dem legitimen Interesse nach dem Belegexemplar vor allem mit einem: Misstrauen. Kaum etwas anderes kommt den Verantwortlichen in den Sinn, als dass die Mitarbeiterinnen ihr eigenes Werk missbrauchen und woanders illegal nutzen könnten. Das sorgt für eine massive Bürokratisierung von Abläufen. Überspielungen von Werken ohne eingeblendetes Senderlogo benötigen im TV-Überspielservice die Unterschrift von Hierarchinnen. Und nach einer langen Zeit fast völliger Verweigerung hat die aktuelle Hörfunkproduktion Regeln aufgestellt, nach denen Freie Mitarbeiterinnen nun wenigstens direkt im Studio ihr gerade produziertes Werk selbst mitnehmen dürfen – aber wenn es Archivmaterial enthält, nur in geringerer Qualität dank höherer Komprimierung. Oft ist es mittlerweile tatsächlich einfacher, stattdessen den digitalen WDR-Radiorekorder für den Audiostream im Web zu programmieren, mit einem Video-Festplattenrekorder einen Mitschnitt anzuleiern oder, ganz wie jede Hörerin, den Podcast mit dem eigenen Bericht herunterzuladen. Devise: Der kurze Dienstweg ist der beste. Schon bei vom WDR aufgezeichneten Werken, von denen man aus irgendeinem Grunde keinen eigenen Mitschnitt machen konnte, wird es extrem kompliziert, wenn man sich an die Buchstaben der Tarifverträge halten will. Lasst mal Punkt 11.3 des Urhebertarifvertrags auf euch wirken… Eine besonders bittere Folge hätten – ohne den kurzen Dienstweg – die drei Wörtchen „auf eigene Kosten” für den Anspruch auf eine Sendekopie. Dann gälten voraussichtlich die Gebührensätze der wdr mediagroup, die vom WDR mit der Verbreitung von Sendekopien zum persönlichen Gebrauch beauftragt ist.44 Die geforderten Kostensätze stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Honoraren für diejenigen, die auf den Sendekopien zu hören und zu sehen sind.
Das Grund-Misstrauen gegenüber freien Autorinnen behindert deren Arbeit sehr. Beispiel: Oft möchten Autorinnen eine andere Version ihrer Arbeitsergebnisse einem anderen öffentlich-rechtlichen Sender anbieten. Möglichst wenige ihrer Vorarbeiten möchten sie doppelt machen. Daran ist nichts illegal und nichts unzüchtig – und theoretisch helfen in der ARD die Sender einander ja auch brüderlich bei ihren Produktionen. Doch es ist nicht erwünscht und nicht vorgesehen, dass die Autorinnen ihr eigenes Rohmaterial wieder aus dem Sender tragen können, sobald es von WDR-Technikern für eine WDR-Sendung bearbeitet wurde. Der Verdacht steht im Raum, sie könnten WDR-Ressourcen für eigene Zwecke, für Privatsender oder für eine Vertragsverletzung nutzen. Der glatte digitale Workflow – er gilt eben nur für das eigene Großunternehmen. Schön, wenn auch ins Blickfeld geriete, welche Sendungen die auf eigene Rechnung arbeitenden Freien den anderen Sendern der ARD ermöglichen, indem sie ihre Arbeitsergebnisse auch dort zur Verfügung stellen.
CHECK. Diese Seite ist noch nicht vollständig aktualisiert. Außerdem werden noch weiter die Fundstellen in Gesetzen und Tarifverträgen verlinkt.
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