Unveräußerlich: Das Recht der Urheberin
Mit den Werken der Freien kann der Sender sehr viel machen, aber nicht alles.
Das Urheberrecht ist auch ein Schutzgesetz. Es geht von der realistischen Annahme aus, dass Urheberinnen als der ärmere vertragsabschließende Teil für das bisschen Honorar auch ihr letztes Recht verkaufen würden. Deshalb setzt das gesetzliche „Urheberpersönlichkeitsrecht” Bearbeitungen von Hörfunk- und Fernsehberichten eine Schranke. Keine Freie Mitarbeiterin kann darauf verzichten, egal was ihr ein Sender oder Verlag in den Vertrag diktiert.
Bearbeiten ja, verfälschen nein
Damit sind grobe27 Entstellungen und Verfälschungen der Werke nicht möglich. Wo allerdings die Grenze zwischen einer gerechtfertigten Bearbeitung und einer illegalen Verfälschung verläuft, ist ständiger Gegenstand von Prozessen und kann nur von Fall zu Fall geklärt werden. So wurde es einem Sender gerichtlich verboten, einen Spielfilm mit einer neuen Filmmusik zu unterlegen. Das hätte das Urheberpersönlichkeitsrecht der Komponistin verletzt, wahrscheinlich auch das der Regisseurin. Einen Filmausschnitt mit anderer Musik zu zeigen, war jedoch erlaubt.
Zwei Kolleginnen bekamen vor Gericht 10.000 D-Mark Schadenersatz vom Kölner Stadt-Anzeiger zugesprochen. Dessen Redaktion hatte aus ihrem kritisch klingenden Bericht über die Kölner Abwasserkanäle eine lieblich tönende Reportage gemacht. In beiden Fällen war eine Grenze überschritten. Die Redakteurinnen hatten das Werk nicht bloß bearbeitet, sondern das Persönlichkeitsrecht der beiden Urheber verletzt.
Das Redakteursstatut des WDR präzisiert manche Rechte der Urheber von Filmen, Hörfunkbeiträgen und Texten, die der WDR ausstrahlt oder ins Internet stellt. So steht darin, dass sie „in eigener journalistischer Verantwortung“ ihre Programmaufgaben erfüllen28.
Aber behalten es die Auftraggeberinnen in den Redaktionen tatsächlich immer im Blick, dass sie journalistisch nicht jedes Detail bestimmen dürfen, das bei der Produktion des Programms heraus kommt? Im WDR-Redakteursstatust heißt es zudem: „Kein(e) Programmmitarbeiter(in) darf veranlasst werden, in Beiträgen eine seiner (ihrer) Überzeugung widersprechende Meinung oder künstlerische Auffassung als seine (ihre) eigene zu vertreten, eine seiner (ihrer) Information widersprechende Sachangabe als richtig zu bezeichnen oder Sachangaben oder Meinungen zu unterdrücken, die im Rahmen der Aufgaben des WDR zu einer umfassenden, wahrheitsgemäßen Information der Öffentlichkeit gehören.“29
Oft werden Berichte in letzter Minute abgesetzt oder verändert, und meist aus ganz lapidaren Gründen und nicht in böser Absicht. Wenn ein Programmbeitrag abgesetzt oder wesentlich geändert werden soll (wobei es dem Betroffenen überlassen bleibt, was als „wesentlich“ gilt), dann muss laut Redakteursstatut dies „dem (der) betroffenen Redakteur(in) und auf Antrag auch der Redakteursvertretung“ grundsätzlich vorher mitgeteilt werden – auf Wunsch schriftlich.30
Dass hier plötzlich „Redakteur(in)“ steht und nicht der Freie einschließende Begriff „Programmitarbeiter(in)“, ist bemerkenswert. In der Praxis sind es nicht Vorgesetzte die sich gegenüber Redakteurinnen durchsetzen und einen Beitrag absetzen. Sondern es sind die jeweils zuständigen unteren Chargen, die (oft nach interner Klärung) einen Beitrag absetzen; die Betroffenen sind freie Autorinnen – denen das Redakteursstatut in einem solchen Fall keine vorher ausübbaren Rechte zubilligt.
Entstellungen ihres Werkes braucht die Urheberin aber nicht zu dulden31. Sie kann einer Veröffentlichung widersprechen32 bzw. vor Gericht die Unterlassung der Veröffentlichung verlangen.33 Wenn der WDR gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht verstößt, geht er das Risiko ein, Schadenersatz leisten zu müssen.34 Nur eines kann die Autorin auch nach dem Urheberrecht nicht: Die Veröffentlichung verlangen.
Der Urhebertarifvertrag enthält nicht immer ganz leicht handhabbare Regelungen für Streitfälle über Werke. „Nimmt der WDR ein Werk nicht ab, so ist der Mitarbeiter berechtigt, das Werk innerhalb einer vom WDR festzusetzenden angemessenen Frist zu ändern.“35 Soweit klingt das wie ein Vorgang aus dem Verbraucherrecht. Soweit es um rein handwerkliche Fragen geht, ist das auch in Ordnung. Schließlich soll ja die Auftragnehmerin, die Freie, das liefern, was bestellt ist. Doch die guten journalistischen und gesetzlichen Gründe, deretwegen eine Mitarbeiterin eine Veränderung ihres Werkes ablehnen kann, nennt der Tarifvertrag gar nicht.
Lapidar heißt es: „Lehnt der Mitarbeiter eine Änderung ab, ist er zu einer Änderung nicht imstande oder nimmt der WDR auch die geänderte Fassung deshalb nicht ab, weil das Werk den Anforderungen nicht genügt, die der WDR berechtigterweise stellen kann, so kann der WDR ein Werk unter Verwendung der bisher vorliegenden Fassungen und Materialien herstellen oder herstellen lassen. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, diese dem WDR zu übereignen.“
Allein das Wörtchen „berechtigterweise“ deutet darauf hin, dass es Fälle gibt, in denen der WDR nicht berechtigterweise handelt, und dass die Mitarbeiterin Rechte haben könnte, auf die sie pochen kann. So muss es Fälle geben, in denen die Mitarbeiterinnen zum Beispiel das Recht haben, ihr Werk eben doch nicht zur Sendung zur Verfügung zu stellen, siehe oben. Daraus ergäbe sich wiederum die Pflicht des WDR, aus der bisherigen Fassung ein neues Werk zu machen, statt nur ein bisschen daran zu ändern. Aber lassen wir es bei den Hinweisen bewenden. Die Konflikte werden nur sehr selten bis in diese Verästelungen hinein getrieben. Und wenn, dann sind sie längst ein Fall für Rechtsberatung durch versierte Urheberrechtlerinnen.
CHECK. Diese Seite ist noch nicht vollständig aktualisiert. Außerdem werden noch weiter die Fundstellen in Gesetzen und Tarifverträgen verlinkt.
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